Captain Fantastic

Ben (Viggo Mortensen) ist ein Aussteiger. Er hat sechs Kinder und erzieht sie abseits der Gesellschaft in den Wäldern der amerikanischen Westküste. Mitten in der Pampa lebt er mit seinen Kindern allein in einem schlichten Haus, bringt ihnen bei zu jagen, zu kochen, sich selbst Klamotten herzustellen und in der Wildnis zu überleben. Er erzieht sie zu Selbstversorgern. Es handelt sich nicht um eine Sekte oder einen Kult, sondern um einen Mann der beschlossen hat, die Welt, wie wir sie kennen, hinter sich zu lassen.

Es wirkt ein wenig so, als hätte Ben alle Staffeln von The Walking Dead am Stück gesehen und wäre nun besessen davon, seine Kinder auf die nahende Apokalypse vorzubereiten. Aber neben den Überlebenskünsten beherrschen seine Kinder viele Fremdsprachen fließend (darunter japanisch, deutsch, russisch und spanisch), können über den Marxismus diskutieren und alle Knochen des menschlichen Körpers benennen. Der 8-jährigen Zaja gelingt es, ganz beiläufig die Bill of Rights auswendig aufzusagen und eigene Aussagen dazu zu treffen.

Als Harper, seine Schwester, versucht, Ben zu erklären, dass die Kinder ein geregeltes Umfeld brauchen und auf eine echte Schule gehen müssen, demonstriert Ben die intellektuelle Überlegenheit seiner Kinder und lässt seiner Schwester so kaum noch überzeugende Argumente. Auch durch die Kritik von Jack (Frank Langella), Bens Schwiegervater, lässt er sich nicht von seinem Weg der Erziehung abbringen. Auf dem Weg zur Beerdigung seiner geliebten Frau und Unterstützerin Leslie, erkennt Ben zwar, dass seine Kinder sich in der Gesellschaft nicht  wirklich zurechtfinden würden, sieht daran jedoch nichts Schlechtes. Er verteufelt die Speisekarten der American Diners, beschreibt Cola als vergiftetes Wasser und stellt Christen als Idioten dar. So bleibt Ben oft steif und für seine Kinder ein Rätsel

Die Kinder haben zwar Spaß an ihrem Leben, sind stolz auf ihre Bildung und Erziehung, zeigen aber auch immer wieder den Wunsch nach Normalität.

„You made us freaks!“, stellt Sohn Bo fest, der aufgrund seiner herausragenden Fähigkeiten Zusagen von Universitäten wie Harvard, Princeton und dem MIT bekommen hat. Und damit hat er nicht ganz unrecht. Seine Kinder sind praktisch Fremde in dem Land in dem sie geboren wurden. Sie sind intelligenter als eigentlich alle um sie herum, aber eben trotzdem nur Kinder und Jugendliche, die sich nach Freundschaften und einer Pubertät sehnen. Zwar ist ihr Leben wie ein großer Abenteuer-Urlaub, aber auch im schönsten Urlaub wünscht man sich wieder Ruhe und Stabilität. Um so größer wird die Sehnsucht danach, wenn es genau vor der Nase wartet, aber doch nicht zu erreichen ist.

Und so perfekt alles zu Anfang des Films wirkt, es zeigen sich mit der Zeit eklatante Probleme in Bens Ideologie. Als seine Verbohrtheit seiner Tochter nur durch viel Glück nicht das Leben kostet, überdenkt er seinen Lebenswandel und gleichzeitig alles, was er seinen Kindern aufbürdet…

Aragorn, ich meine natürlich Viggo Mortensen, zeigt sich in Captain Fantastic in bestechender Form. Ähnlich wie in seiner Paraderolle als Aragorn zeigt er sich immer wieder rau und gleichzeitig unglaublich liebevoll, reflektiert aber gleichzeitig verbohrt. Er schafft es durch Blicke Emotionen und Gedanken zu transportieren. Er trägt diesen Film, der mit und dank ihm einfach unglaublich gut ist. Captain Fantastic lässt uns in eine Welt eintauchen die uns fremd ist, glorifiziert sie, nur, um sie im nächsten Augenblick ins Wanken zu bringen. Und doch kann man sie nicht verteufeln oder vergöttern, sondern bleibt mit vielen Fragen zurück. Nicht die Art Fragen, die man erklärt haben will um diesen Film zu verstehen. Sondern Fragen, die man sich zwangsläufig stellen muss, will man das Leben und den schnellen Wandel unserer Gesellschaft verstehen und einordnen.

Viggo Mortensen ist nicht umsonst ein Kandidat für die Auszeichnung als bester Hauptdarsteller der diesjährigen Academy Awards. Mit seiner tollen Leistung wird er sicher viele Academy-Mitglieder von sich überzeugen können. Ob es am Ende reicht, kann und ich will ich an dieser Stelle noch nicht bewerten. Viel mehr begeistert mich aber noch der Film als solcher.

Dieser Film ist erfrischend, hin und wieder beengend und lässt einen nachdenken. Er hat alles was er braucht und tut mir und sich den Gefallen, auf eine gezwungene Liebesgeschichte zu verzichten. Ein meiner Meinung nach grandioser Film, den ich froh bin, gesehen zu haben.

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